Im Ausland lebende Brasilianer die einst wegen besserer beruflicher Aussichten in die USA oder nach Europa auswanderten, kehren nun in Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs in Brasilien, in ihr Heimatland zurück. Die Arbeitslosen Zahlen sind auf ein historisches Rekordtief gesunken und in vielen Berufszweigen verdient man in Brasilien mehr oder wenigsten gleich viel wie in den USA.
Ein Trend, der ende des letzten Jahres in einigen Artikeln beleuchtet wurde, ging bis jetzt an mir vorbei. Durch die veränderten globalen Wirtschaftsverhältnisse –Schwellenländer erleben einen Boom und die westliche Wirtschaft kränklet vor sich hin –kehren viele Brasilianer Europa und den USA den rücken zu und kehren in ihr Heimatland zurück. Vor einigen Tagen kam meine eine gute Freundin auf mich zu und erzählte mir, mit unter unterdrückter genugtun, dass Sie auf der Arbeit mit einer Frau gesprochen hätte, die 16 Jahre in Rio de Janeiro gelebt habe. Diese habe ihr erzählt, dass sie nie wieder dort leben möchte — viel zu laut und die Kriminalität viel zu hoch. Ob die betreffende Frau Brasilianerin war oder nicht, konnte sie mir nicht sagen.
Die Angesprochene „unterdrückte genugtun“, die meiner Kollegin anzumerken war, rührt daher, dass sie sich auf keinen Fall vorstellen kann in Brasilien, vergessen noch in einer Grossstadt wie Rio zu leben –ich hingegen schon. Deswegen haben wir des Öfteren Diskussionen. Durch die Aussagen der Ex-Carioca fühlte sich in ihrer Ansicht bestätigt. In verschiedenen Artikeln habe ich aber gegenteilige Aussagen von Brasilianern gefunden, nämlich genau von solchen, die nach längeren Auslandsaufenthalten, meist in den USA nun wieder nach Brasilien zurückkehren. Ob die Rückkehr nur in den ökonomischen Aspekten begründet liegt oder ob es auch noch andere Gründe gibt, bleibt eine andere Frage.
Rachel Glickhouse hat verschiedenen Rückkehrer interviewt und die Interviews auf ihrem Blog „Aventuras de uma Gringa“ (Abenteuer einer Gringa) veröffentlicht. Im Folgenden habe ich einige ihrer Interviews übersetzt. Rachel ist New Yorkerin, lebte für zwei Jahre in Rio de Janeiro und ist vor einiger Zeit mit ihrem brasilianischen Mann nach New York zurückgekehrt. Sie befühlt unter riogringa.com einen Blog mit unglaublich spannenden Berichten über Brasilien.
Interviews mit Brasilien Rückkehrern
Interview mit Andrea N.: Andrea zog 2001 nach New York und lebte dort 10 Jahre lang. 2002 hat sie ihren amerikanischen Freund geheiratet und lebte in Prospekt Heights und der Upper West Side. Dort hatte sie eine Vielzahl an verschiedenen interessanten Jobs, angefangen vom Praktikum bei einer TV-Produktionsfirma, als Kellnerin, als freischaffende Übersetzerin Englisch und Portugiesisch bis zu ihrem Job als Produktionsassistentin in der TV& Media Abteilung der Wildlife Conservation Society beim Bronx-Zoo. Nach ihrem Job beim Zoo arbeitete sie für sieben Jahre als Entwicklungs-Koordinator für globale Initiativen der Fundraising-Abteilung an der Columbia University. Währender ihrer Zeit beider Columbia University belegte sie einen Spanisch Kurs und einen in News-Writing.
Schlussendlich entschied sie sich aber trotzdem wider in ihre Heimatstaat Santos in Bundesstaat São Paulo zurück zukehren. Ein Grund für die Rückkehr waren auch die Eltern, welche älter wurden und gesundheitliche Probleme hatten. Den Eltern geht es in Zwischenzeit besser, Andrea ist aber trotzdem froh in deren Nähe zu sein. Letzen Oktober kehrte sie mit ihrem Mann und einem Hund nach Brasilien zurück. Derzeit arbeitet sie als wieder als Übersetzerin und als Englisch Lehrerinnen. Sie liebt es, in der Nähe des Meeres zu sein. Dort geht sie jeden Tag mit ihrem Hund, Freunden und Familie spazieren. Ebenfalls geniesst sie das Wetter und das gesündere Essen, welches aus viel frischem Obst und Gemüse besteht. Aber die Rückkehr war nicht ganz einfach, es war ein teuerer und bürokratischer Prozess, ihren Hund musste im Laderaum des Flugzeuges unterbringen, ihre Habseligkeiten verschiffte sie mit einem Frachtcontainer. Sie spüre das sich Brasilien seit ihrer Rückkehr verändert habe. Die USA machen schwierige politische und wirtschaftliche Zeiten durch, obwohl sie nicht genau beschreiben kann, wo das Problem liegt, spüre sie doch dieses weitverbreitete Gefühl von Unbehagen und Ungewissheit. In Brasilien, wo die Wirtschaft stark ist, die Mittelschicht wächst und die Armut geringer werde liege eine optimistische Stimmung in der Luft, meint sie.
Interview mit Cássia Martins: Cássia ist eine Carioca, welche in den USA in der Finanzbranche gearbeitet hat, sie kehrte nach Brasilien zurück um ihren Traum zu schreiben weiter zu verlogen. Geboren in Petrópolis wanderte sie als Teenager in die USA aus. Sie machte den Bachelor in Wirtschaft an der Universität von Boston und arbeitete fünf Jahre in der Branche, bevor sie ihren MBA an der Universität von Pennsylvania machte. Sie lebte in verschiedenen Städten der USA, drunter Boston, Chicago, Stamford, Philadelphia, Boca Raton und Miami. Nach Abschluss ihrer Diplome entschied sie sich wieder in ihre Heimat, Rio de Janeiro zurückzukehren. Sie verbrachte ein Jahr in Brasilien in diese Zeit schrieb sie ihr erstes Buch mit dem Titel „Born in Rio“. Danach entschied sie wider zurück nach Miami zu gehen um dort näher bei ihrer Familie zu sein, in der Immobilienbranche zu arbeiten und ihr Buch zu promoten.
Doch das Leben in Rio de Janeiro war eine Inspiration. Neben dem Schreiben der Geschichte einer Frau, die auf der Suche nach ihren Wurzeln ist, war es das Ziel die Kultur und die Energie von Brasilien, aufzunehmen und in die Geschichte einfliessen zu lassen, sagt sie. Die Schönheit und die Natur von Brasilien haben mich nie überwältigt aber der Lebensstil in Rio ist ein sehr entspannter, meint sie weiter. Sie haben den Schwerpunkt, der in Rio auf persönliche Menschlichbeziehungen gelegt werde, als Kontra zur Fokussierung auf Arbeit – und Geschäftsprozesse in den USA, genossen. In den USA sei für gewöhnliche die erste Frage von Menschen, die sie das erste Mal treffe „Wo arbeitest du? Was hast du studiert?“ In Rio dagegen werde man eher gefragt „Wo ist dein Freund? Wie kommt es das Du nicht verheiratet bis?“ Obwohl sie sich ein wenig um die Sicherheit und die hohen Preise in Rio sorgen macht, war eine andere interessante Sache — all die Veränderungen in der Stadt zu sehen: Sie sagt sie höre in Rio mehr Englisch als in Miami und sie habe viele Ausländer, die in Brasilien arbeiten und nicht Ferien machen, getroffen.
Soweit die Interviews von Rachel. Mehr davon gibt es auf ihrem Blog zu lesen. Es soll eine ganze Serie von Interviews geben, also immer schön ihren Blog beobachten. Ich werde allenfalls in einem anderen Artikel weitere ihrer Brasilien Rückkehrer Befragungen übersetzen.
Sind Brasilianer im Ausland überhaupt glücklich?
Bereits aus diesen beiden Interviews geht hervor, dass nicht nur ökonomische Aspekte ausschlaggebend für die Rückkehr nach Brasilien sind. Zumindest wird dies von den Interviewten nicht hervorgehoben. Es ist aber ganz klar, dass die wirtschaftliche Situation im Land ganz massgeblich für das Rückkehren verantwortlich ist. Gäbe es keine Jobaussichten, würden die Leute ganz sicher nicht nach Brasilen zurückkehren. Die Brasilianer, welche lange Zeit einem gut bezahlten Job im Ausland nach gingen oder noch nachgehen, haben sich an ihr Einkommen gewöhnt. Der damit verbundene Lebensstandard aufzugeben kommt für die meisten sicherlich nicht infrage. Um es in einem Satz zu sagen: Wenn man in Brasilien gleichviel, mehr oder nur geringfügig weniger verdient, möchte wohl seltene ein Brasilianer im Ausland leben. Ich habe selten Brasilianer/innen kennengelernt die bei uns in der Schweiz richtig glücklich sind/waren. Die Fröhlichkeit ist meistens nur vorgeschoben, um dem Klischee des immer fröhlichen Brasilianers/in aufrechtzuerhalten und um sich selber zubelügen. Oder anders gesagt, hätten sie in Brasilien die gleichen gesicherten Existenzen, würde sie wohl nicht mehr viel in der Schweiz halten.
Wobei ich hier explizit erwähnen möchte, dass es sich dabei um meine Beobachtungen in der Schweiz handelt. In anderen Ländern wo eine, der brasilianischen ähnlichere, Mentalität anzutreffen ist und allenfalls auch eine grössere brasilianische Community existiert, mag die Situation anders sein. Die Tendenz, dass ein Brasilianer in Europa nicht richtig glücklich ist oder sein kann, dürfte aber schon sehr stark sein. Aber darauf werde ich in einem anderen Artikel näher eingehen.